W E Y E R
a./d. Enns, O.-Ö.

Manuskript

Lebens-Erinnerungen

Aufgezeichnet von Notar Friedrich Schmeidel

II. Teil: Die Zeit in Weyer (Von 1860 an.)

Aufgezeichnet von 10.I.1908–19.XI.1913.

 


Dienstsiegel von Friedrich Schmeidel, k,k, Notar auf diesem Brief

Schmeidel, Friedrich, Notar (22.03.1827–10.11.1915). Lebens-Erinnerungen. Ms. Manuskriptdurchschlag mit zahlr. eigenhändigen Bearbeitungsmerkmalen, O.-Ö., 1908-1913. Titelblatt, 349 SS. auf tls. irrig nummerierten Blättern (Seiten 304, 304a, 304b, 305-320, 320, 321-332, 332, 333-453, 453a, 454-456, 476-645, 655-679). Folio.

Interessantes, jedoch fragmentarisch vorliegendes Manuskript von Schmeidels Lebenserinnerungen, in denen Zeit- und persönliche Geschichte markant miteinander verwoben sind. Das Fragment beginnt im Jahr 1860 mit der Ankunft Schmeidels im oberösterreichischen Weyer, wo der 33-jährige eine Stelle als Notar antritt, und endet 1913 mit der Reise nach München, wo seine Gattin Rosa (geb. Postl) einer Krebserkrankung wegen behandelt werden sollte, zwei Monate nach der Operation jedoch am 8. März 1913 77-jährig verstarb. Schmeidels Erinnerungen an das Leben in Weyer, an seine Arbeit (er war u.a. juristisch am Ausbau des Eisenbahnnetzes in Ober- und Niederösterreich beteiligt) und an seine Familie sind eng mit Beobachtungen von nicht allein lokalgeschichtlicher Bedeutung verbunden, sondern bieten eine materialreiche Chronik der zweiten Jahrhunderthälfte mit all ihrer technischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Aufbruchsstimmung.

„Vor 50 Jahren“, schreibt Schmeidel wohl in den ersten Jahren des neuen Jahrhunderts, „bestanden in Weyer nur ein auf die Ortschaft beschränkter, auf Gegenseitigkeit beruhender Viehversicherungs- und ein auf demselben Grundsatze errichteter Kranken- und Leichenverein! – Heute bestehen in Weyer neben diesen primitiven Vereinigungen um nur die wichtigsten zu nennen: ein Leseverein, eine Liedertafel, ein Musikverein, Turnverein, Losverein, Verschönerungsverein, ein Verein zur Beförderung des Fremdenverkehrs, Veteranenverein, Freiwillige Feuerwehr, Ortsgruppen des deutschen Schulvereines, der Südmark und der freien Schule, (der Vollständigkeit willen führe ich auch Vereinigungen auf klerikaler Grundlage: den christlichen Arbeiterverein, die Ostmark an).“ [S. 623]

„In dieser Beziehung“, so heißt es mit Blick auf die Zunahme allgemein zugänglicher Veranstaltungen weiter, „ist vor allem die Tätigkeit der organisierten Arbeiterschaft hervorzuheben. Bis zum Jahre 1889 war eine sozialdemokratische Zusammenfassung und Gliederung der industriellen Arbeiterschaft in Weyer vollkommen unbekannt. Erst mit der Errichtung der Möbelfabrik 'Franz Schönthaler & Sohn' trat dieses Element in das soziale Leben von Weyer ein, und machte sich durch die jugendliche Energie ihrer Mitglieder sofort geltend [S. 624]. Franz Schönthaler war im strengsten Sinne des Wortes ein selbstgemachter Mann. Als Bauernsohn aus Gutenstein kam er nach Wien, wurde zunächst Steinmetz, und dann Bildhauer. Er hielt sich längere Zeit in Paris auf, arbeitete und studierte dort [...] Unter welchen Verhältnissen er nach Österreich zurückkehrte, weiß ich nicht, Tatsache ist jedoch, dass er zur Zeit der ersten Stadterweiterung in Wien, bereits als Bildhauer u. Dekorateur für architektonische Zwecke eine sozusagen monopolistische Stellung einnahm. Schönthaler war ein Mitarbeiter aller großer Architekten, welche sich bei der Stadterweiterung hervortaten: Van der Nüll und Sieghartsburg [!], Schmidt, Ferstl e Tutti quanti [...] [S. 626f.]“.

Grabstein Friedrich Schmeidels
und seiner Frau Rosa in Weyer
Gedenkstein für Friedrich Schmeidel
auf dem Kreuzberg in Weyer, 1907
Fotos: Rüdiger Weyer, 2011

(c) www.weyeriana.de · /Orte: Weyer.Oberösterreich/ · Letzte Änderung: 07. Januar 2012